TermineKampagnenVereinslistePresse/MedienPartnerDownloadsSocial MediaTransparenzImpressumDatenschutz
Zum Hauptinhalt springen

„Mit Inklusion Freunde finden“ – MIFFI-Event Para Boccia und Boule

Spielerinnen und Spieler mit und ohne Behinderung haben am Mittwoch auf der größten Boule-Anlage Berlins mit insgesamt 64 Bahnen in der Rue Doret 8 in Reinickendorf gemeinsam Para Boccia gespielt. Eingeladen zu dem Event mit dem Titel „Mit Inklusion Freunde finden“ kurz MIFfi, hatten der Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Berlin e.V. (BSB) und der Landes-Pétanque-Verband Berlin e.V.

Die Idee dahinter: Spieler und Spielerinnen des Club Bouliste de Berlin e.V. aus Reinickendorf und des Boccia-Vereins ‚Inklusivo‘ aus Lichtenberg sollten sich kennenlernen, gemeinsam spielen und sich über ihre ähnlichen Sportarten und ganz im Sinne der Inklusion miteinander austauschen. Freundschaften schließen war dabei ausdrücklich erwünscht! Boule beziehungsweise die Präzisionssportart Pétanque und Para Boccia ähneln sich von der Spielidee und den Regeln sehr. Bei beiden geht es darum, die Wurf-Sportkugeln einer Zielkugel besonders nahe zu bringen. Beim Para Boccia sind die Wurfkugeln jedoch nicht aus Metall, sondern aus leichterem Material – häufig gefüllt mit Reiskörnern. Das ermöglicht es auch Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen, Para Boccia zu spielen. Die Para-Boccia-Kugeln lassen sich mit weniger Kraftaufwand auch aus einem Rollstuhl heraus gut werfen.

Sportstadtrat Tobias Dollase (parteilos, für CDU) begrüßte die Sportlerinnen und Sportler auf der Boule-Anlage und kam mit ihnen ins Gespräch: „Der Ansatz Inklusion statt Integration hat den Vorteil, dass wir einander ganz selbstverständlich im Alltag begegnen, uns wirklich kennenlernen und feststellen, was uns verbindet. In diesem Fall ist es die Liebe zum Sport und zum sportlich fairen Wettkampf“, sagte Dollase.

Mona Alker traf den Geschäftsführer des veranstaltenden BSB, Klaas Brose, für ein Interview:

Herr Brose, Sie haben im Juni mit dem BSB den Aktionstag „Mit Inklusion Freunde finden“ veranstaltet, bei dem es um die Sportarten Boccia und Pétanque ging. Was spielen Sie lieber, Boccia oder Pétanque?

(lacht) Das ist eine gute Frage! Eigentlich Pétanque, weil ich das früher mal gespielt habe. Boccia macht aber genauso viel Spaß, weil es ja auch drinnen möglich ist. Also am liebsten beides.

Was ist denn der wesentliche Unterschied zwischen Boccia und Pétanque? Die beiden Sportarten sind ja sehr ähnlich. Bei beiden geht es darum, eine oder mehrere Kugeln näher an einer Zielkugel zu platzieren als der Gegner.

Der wesentliche Unterschied ist die Kugel, die im Pétanque aus Edelstahl besteht und beim Boccia aus Leder. Mit einer Pétanque-Kugel dürfen Sie nie in eine Halle gehen, mit einer Boccia-Kugel auf jeden Fall. Im Boccia sind außerdem Hilfsmittel für Spieler erlaubt, die nicht selbstständig werfen können. Das sind zum Beispiel Rampen, und die Spieler können die Kugel dann mit dem Kopf anstoßen und sie so herunterrollen lassen. 

Also gibt es im Pétanque auch keine unterschiedlichen Startklassen, wie es sie im Para Boccia gibt? Dort wird ja mit vier Klassen je nach Behinderung differenziert.

Genau, das gibt es im Pétanque nicht. Im Pétanque wird nur nach Männern und Frauen getrennt. Und ich kann zumindest für Berlin sagen, dass es bei unserem Aktionstag das erste Mal war, dass Pétanque- und Boccia-Spieler gemeinsam gespielt haben. Da haben wir eine Premiere erlebt.

Was war denn das Ziel des Aktionstages?

Die Idee war, dass Menschen dieselbe Sportart betreiben, aber voneinander nichts wissen. Die Boccia- und Pétanque-Spieler haben dieselbe Leidenschaft, und das ist die Kugel in der Hand und möglichst nah an den Jack, also den Zielball, zu werfen. Aber sie kennen sich nicht, sie trainieren nie miteinander. Und das wollten wir verändern: Dass sie sich gemeinsam treffen, gemeinsam spielen, gemeinsam fachsimpeln. Und es geht auch darum, dass die Experten sich Gedanken darüber machen, wie man die Feinheiten und Unterschiede in den Regelwerken zusammenbringen kann. Dass sie überlegen, wie diese Sportart gemeinsam zu spielen wäre.

Und hat das funktioniert?

Das Turnier ist super gelaufen, es kamen wirkliche Experten zusammen. Die Regeln wurden schnell geklärt und dann ging‘s los. Die Pétanque-Spielerinnen und -Spieler kamen auch von verschiedenen Berliner Vereinen, was mich auch sehr gefreut hat. Fazit: Ziel ist erreicht! So kann es weitergehen.

Wie inklusiv sind Boccia und Pétanque denn Ihrer Meinung nach?

Schon sehr. Man braucht ja im Prinzip nur diese Kugeln, und dann kann man loslegen, egal wo man ist. Das funktioniert auf einem Parkplatz genauso wie auf einem Hallenboden, man braucht nur das richtige Material. Und bei unserem Turnier waren zum Beispiel auch schwerstbehinderte Menschen da. 

Glauben Sie denn, dass Boccia und Pétanque hinsichtlich der Inklusion Vorbild für andere Sportarten sein können?

Bestimmt. Der Schritt hin zueinander ist in der Hitze des Alltags allerdings manchmal schwieriger, als man das denkt. Aber ich denke, dass diesen Schritt eigentlich jede Sportart relativ einfach machen kann. Es braucht halt einen Anstoß, und dafür sind wir als Verband dann ja auch da. Wir planen zum Beispiel auch, Volleyball und Sitzvolleyball zusammenzubringen, genauso wie Schwimmen und Para Schwimmen. Eventuell auch Rugby und Rollstuhlrugby, aber da weiß ich nicht, ob wir das aufgrund der Pandemie dieses Jahr noch hinbekommen.

Inwiefern kann Sport also allgemein ein Treiber der Inklusion sein?

Sport verbindet. Bestenfalls steigt auch der Respekt voreinander. Wenn man beim Schwimmen beispielsweise jemanden hat, der blind schwimmt und schneller ist als ich sehend, dann steigt ja auch mein Respekt vor dieser Person. Dann kommen Menschen mit Behinderung aus der Mitleidsebene raus und werden als vollwertige Sportler wahrgenommen. Und das ist unser Ziel: Wir wollen zeigen, dass auch Menschen mit Behinderung sportlich aktiv und sportlich erfolgreich sind. Das wird man auch in Tokio sehen.

Neben dem Leistungssport spielt der Breitensport eine wichtige Rolle. Allerdings wird es immer schwieriger, das Vereinsleben aufrecht zu erhalten…

Ja, das stimmt. Durch die Pandemie ist ein großer Mitgliederschwund da, das ist auf jeden Fall sehr schwierig. In Berlin liegt der ungefähr bei 18 Prozent. Da kommen verschiedene Faktoren zusammen. 

Welche zum Beispiel?

Zum Einen zählen viele Mitglieder zur vulnerablen Gruppe und sind in der Pandemie besonders gefährdet. Oft warten sie, bis sie geimpft sind, und trauen sich erst dann wieder raus. Außerdem nehmen die Angebotsdichte und Angebotszahl ab. Vereine geben aus unterschiedlichen Gründen auf, zum Beispiel weil Übungsleiter sich während des Lockdowns was anderes gesucht haben. Oder weil die Sportstätten geschlossen sind. Der richtige Effekt des Lockdowns wird auch erst noch kommen.

Haben Sie denn die Hoffnung, dass sich das irgendwann wieder normalisiert?

Das wird dauern. Die Rehasportler kommen wieder, der Bedarf ist in der Hinsicht ja riesig. Aber bis sich die Strukturen wieder so herstellen wie vor dem Lockdown… Da ist noch nicht absehbar, wie lange sich das hinziehen wird. 

Was bedeutet das konkret für die Menschen, die sonst an Angeboten teilnehmen, die jetzt weggebrochen sind oder noch nicht stattfinden können?

Der wichtige Baustein „Sport“ und das Regelmäßige fehlen. Die seelische Gesundheit leidet natürlich auch darunter, dass man dann zuhause hockt und nichts macht. Diese Inaktivität und soziale Isolation betreffen die Menschen. Das ist aber gerade so, und das ist dann auch unsere Aufgabe, die Vereinslandschaft wieder zu ertüchtigen, damit wir aus dem Vollen schöpfen können.

Sie haben im Internet letztens E-Boccia als Alternative veranstaltet. Wie hat das funktioniert?

Sehr gut. Das liegt auch daran, dass es für E-Boccia eine sehr gute App gibt. Die ist sehr nah an dem Spiel, und wir haben mehrere Tage ein deutschlandeweites Turnier veranstaltet. Die Spieler konnten sich in der App verabreden und dann spielen. Gerade für unsere Berliner Landeskader war das eine tolle Möglichkeit, um ihren Kaderstatus zu festigen und Wettkampferfahrung zu machen. 

Die Paralympics sind ja nicht mehr weit hin. Mit Boris Nicolai hat sich erstmals ein Deutscher im Para Boccia qualifiziert. Wie schätzen Sie seine Chancen ein?

Oh, da er kein Berliner ist, kenne ich ihn nicht und kann seine Spielstärke schlecht einschätzen, auch bezogen auf die anderen Teilnehmer.

Aber Sie werden die Wettkämpfe verfolgen?

Auf jeden Fall!