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BSB-Präsident Mutlu: "Berlin braucht mehr Inklusion im Alltag, denn Teilhabe ist unteilbar"

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Präsident des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Özcan Mutlu wünscht sich den Umbau (nicht nur) der Stadt Berlin, damit diese sich auch für Behinderte stärker öffnet. Von ÖZCAN MUTLU

 

Der Präsident des BSB: Özcan Mutlu. ©BSB

Dieser Artikel erschien erstmals am 28.12.2020 auf der Website des Tagesspiegel.

 

Vielfalt ist kein Fetisch, sondern ein Faktum. Daran sollten wir uns endlich gewöhnen. Tun wir es nicht, scheitert die Inklusion. Inklusion ist unabdingbar für Menschen mit Behinderungen, aber auch für alle, die von Exklusion bedroht oder betroffen sind. Eine Gesellschaft, die sich der Inklusion verpflichtet fühlt, sorgt deshalb in gleichem Maße für die Teilhabe von allen Menschen, mit oder ohne Behinderung. Sie sorgt für ethnokulturelle Gerechtigkeit, für Geschlechtergerechtigkeit und bemüht sich um sozio-ökonomische Chancengerechtigkeit. Sie schließt Sexismus und Diskriminierungen in den sexuellen Orientierungen aus, fördert Diversität und stärkt Antirassismus.

Teilhabe ist unteilbar. Es ist daher an der Zeit, Vielfalt als Tatsache anzuerkennen und mit ihr positiv zu arbeiten. Inklusion sollte als das verstanden werden, was es ist: Als Theorie und Praxis der Teilhabe in allen Lebensbereichen unserer vielfältigen Gesellschaft.

Als Präsident der Behinderten- und Rehasportverbands (BSB) möchte ich hier einen Blick auf den Sport werfen: Einerseits existiert in Berlin ein vielfältiges Sportangebot für Menschen mit und ohne Behinderung, insbesondere in Sportarten wie Fußball, Leichtathletik oder Schwimmen. Ebenso werden Bogenschießen oder Karate für Blinde, Rolli-Tennis, Rolli-Tischtennis, Rolli-Badminton, aber auch Rudern, Segeln, Tauchen, Hockey, Floorball für Menschen mit Behinderungen angeboten. Anderseits lässt die Realität sehr zu wünschen übrig. Auch wenn sich seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in 2009 durch die Bundesregierung einiges in Sachen Inklusion getan hat, ist noch sehr viel zu tun um eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten.

Der Weg zu einer inklusiven Gesellschaft ist lang und die UN-Konvention (Download hier) alles andere als ein Selbstläufer. So müssen leider auch heute noch Inklusion, Teilhabe und Barrierefreiheit oft gegen massive Widerstände erstritten werden, egal ob in der Schule, auf dem Arbeitsplatz oder im Sportverein. Letztlich ist es eine Haltungsfrage. Barrieren in den Köpfen zu überwinden ist eben kein Spaziergang.

Der Spitzensport ist ein wichtiges Standbein unseres etwa 28 000 Mitglieder umfassenden Sportverbands in Berlin. Doch der Breiten- und Behindertensport bildet die tragende Säule all jener Tätigkeiten, die wir als Sportverband anbieten. Der Begriff Inklusion ist für viele Berliner Sportvereine eher ein Fremdwort oder wird allein auf einen rollstuhlgerechten Zugang reduziert. Dabei tangiert Inklusion viele Ebenen; angefangen von der Barrierefreiheit, über die Sportart, dem Sportkonzept und dem Sportprogramm, bis hin zu den Übungsleiter:innen und gemischten Sportgruppen viele Bereiche eines Vereins.

Auch im Schulsport ist mehr zu tun, damit Barrieren in den Köpfen gar nicht erst entstehen. „Inklusion durch Sport“ ist ein Kernanliegen unseres Sportverbands. So unterstützen wir Vereine im Rahmen der gleichnamigen Kampagne, bieten den Sportvereinen kostenlose Beratung an und helfen den Sportvereinen aktiv bei der Beantragung von Fördermittel für Inklusionsprojekte. Mit dieser Dienstleistung stärken wir als Verband Sportvereine und setzen uns für den Abbau von Barrieren in den Köpfen und bei der Infrastruktur ein.

Seit 2015 konnten wir mit unserer Kampagne „Inklusion durch Sport“ und der Förderung der Lotterie Aktion Mensch in Berlin etwa 160 inklusive Sportprojekte mit einer Gesamtfördersumme von über 1,5 Millionen Euro vermitteln und durchführen. Damit konnten die Rahmenbedingungen für Inklusion in den Sportvereinen stark verbessert werden. Die Teilnahme an der Kampagne ist für die Sportvereine relativ leicht: Wir helfen als Verband, wenn ein Sportverein ein sportbezogenes Inklusionsprojekt machen möchte. Eine E-Mail an info@bsberlin.de genügt.

Als bundesweit einziger Verbandspräsident mit Migrationshintergrund liegt es mir ebenso sehr am Herzen die Migrantencommunity für Inklusion zu sensibilisieren und sie für mehr Verantwortung und Teilhabe zu gewinnen. Auch hier gibt es noch eine Menge zu tun. Leider wird Behinderung von manchen sogar als Makel angesehen. Daher ist es unser Anspruch als Verband in diesem Bereich mehr zu machen. Die Arbeit lohnt sich, wie die erfolgreiche Biographie unseres Para-Spitzenathleten Ali Lacin zeigen: Als Spitzenathlet der beidseitig Oberschenkelamputiert ist, hat Ali bereits zahlreiche Rekorde als Sprinter gebrochen und ist einer unserer Medaillenhoffnungen für die Paralympics 2021 in Tokio.

Aufklärung und Information in leichter Sprache, aber auch in den unterschiedlichen Muttersprachen, die in Berlin gesprochen werden ist daher wichtig. Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Vertreter:innen von Politik und Verwaltung sind ebenso gefordert sich stärker für die Anerkennung der Inklusion einzusetzen, damit Vorurteile in den Köpfen abgebaut werden können.

Meine Vision für Berlin ist eine inklusive, lebens- und liebenswerte Stadt der Vielfalt, die sozial und gerecht ist, in der niemand mehr aufgrund einer Behinderung, der sozialen oder kulturellen Herkunft, Sprache, Ethnie, sexuellen Orientierung oder Religion, zurückgelassen oder benachteiligt wird. Dafür setze ich mich ein.